Mittwoch, 27. März 2013

Ein Blick in den Amazonas

Hach ja, liebe Leserinnen und Leser,

ich verstehe mich ja nicht bloß als reine Amüsementlieferantin sondern ebenfalls als absolut up to datige Polit-Journalistin.

Und deswegen möchte ich heut einmal mehr (tat ich es jemals?) meinen hochobjektiven Beitrag zur aktuellen Diskussionslandschaft leisten.

Fickt euch Amazon- Kritiker.

Jeden Tag werden meine 2,10€ teuren Zeitungsseiten (dass ich diese 2,10€ nicht bezahle steht hier nicht zur Debatte) mit defamierenden Schlagzeilen über meinen liebsten Ausbeuterkonzern Amazon verschmutzt.
Schlechte Arbeitsbedingungen, Knebelverträge mit den Verlegern oder zwielichtige Verkaufsstrategien sind hier die immer und immer wiederkehrenden Vorwürfe eines bis dato doch so großartigen Vertriebs.
Zugegeben, (Blogger schreiben immer "zugegeben" oder "ganz ehrlich"...) dass ein vor 12 Std erschienenen Buch bereits als gebrauchtes Antiquariatsexemplar im Marketplace angeboten wird ist...schwierig.
Aber die schlechten Arbeitsbedingungen bei Amazon sind nicht anders als die unterirdischen Arbeitsbedingungen in anderen Firmen.

Ich arbeitete 8 Wochen in einem großen Verlag für Schulbücher. Meine Aufgabe bestand darin, mit einem Headset der Plastikstimme im Ohr Zahlen, die sie mir diktierte zu wiederholen und die damit verbundenen Regale zu suchen.
Die dort liegende Ware musste dann ebenfalls durch mehrmaliges Wiederholen eingecheckt und dann auf ein Fließband in den richtigen Karton gelegt werden.
Das sah/hörte sich dann so an:

Stimme: 3-3-7-8-9 (Das ist die Regal Nummer)
Ich: 3-3-7-8-9 ok (Als ich an dem Regal angekommen bin)

Stimme: 9-9-3 (Regal Spalte)
Ich: 9-9-3 ok
Stimme: keine Eingabe möglich
Ich: wiederhole
Stimme: 9-9-3
Ich: 9-9-3 ok ( letztes ok meist schon leicht gereizt da "keine Eingabe möglich" bei jedem zweiten Produkt der Fall war...)

Stimme: 2 (Fach)
Ich: 345 ok (das ist der Code des Faches)

Stimme: Nimm 3
Ich: 3 ok

So liefen dann 8 Arbeitsstunden ab. In diese 8 Stunden beschränkt sich dein Arbeitsumfeld auf ein Fließband mit 8 Regalen.
Und? Ich lebe noch.

Heult doch nicht rum, Amazon Mitarbeiter.
Hättet ihr in der Schule besser aufgepasst, müsstet ihr diesen rotzabartigen Kackjob doch nicht machen.
Wer Kanalarbeiter wird muss sich nicht wundern wenn's nach scheiße stinkt.

So.

Und würden nicht mindestens 50% aller Amazonmitarbeiter (das sind immerhin knapp 35.000) ebenfalls bei Amazon einkaufen, "weil es ja so billig ist" (dumm?) dann wären die Preise sicherlich andere.

Ich liebe es, Stunden in Buchhandlungen zu verbummeln und Neuerscheinungen direkt in die Hand zu nehmen. In Kochbüchern zu blättern oder zwanzig Klappentexte von Schundromanen zu lesen.
Aber wenn in jeder zweiten Buchhandlung sowieso nur noch ein Regal mit Büchern angeboten wird und der Rest des Platzes mit Geschenkartikeln, Tassen, Figuren und anderem Dekoscheißkram zugemüllt wird, brauch sich wirklich niemand - und am allerwenigsten die Buchhandlungen- wundern, wenn man sein Buch innerhalb von 24 Std von Amazon geliefert bekommt.
Und wer sich über Amazon beschwert und seine Dumpingpreise, der unterlässt bitte auch zukünftig die Speisung in Fast- Food Restaurants (da werden statt Büchern nämlich Tiere zu Dumpingpreise verheizt), das Kaufen in günstigen Modegeschäften wie H&M und Zara (schonmal die Arbeitsbedingungen DORT gesehen, armer Amazonmitarbeiter??) und das Trinken von normal gehandeltem
Kaffee. Die (Kinder-) Arbeiter dort sterben nämlich mal locker nach 10 Jahren Arbeit, weil die Pestizide ihre Lungen verätzen. Kleine Finger pflücken besser die Bohnen, wisst Ihr?

Ich verabschiede mich. Meine 9 Jährige Putzfrau aus Nigeria kommt gleich, um für 1,20€ Brutto mein Badezimmer sauber zu machen.
Das kleine habgierige Biest klaut immer meine Wattestäbchen.
Alles Kriminelle.

2 Kommentare:

  1. Liebe neoliberale Prinzessin,

    hier ein Kommentar zu deinem Kommentar (Commentception), der dir in deine Wer-will-der-kann-auch-Suppe spuckt und sie ein wenig mit Realität würzt.
    Ich mache Nummern vor meine Aussagen, weil das so wunderbar bürokratisch und trocken rüberkommt. Bereit? Gut.

    1. Andere machen das doch auch.
    Es ist sehr ungünstig so zu argumentieren. Wenn wir das als Argument gegen schlechtes Verhalten zulassen möchten, bekommen wir arge Probleme mit:

    - Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg sowie jedem anderen Politiker der beim lügen erwischt wird.
    - Mercedes und jedem anderen Konzern, der von Fragen zu seiner Vergangenheit mit NS-Zwangsarbeitern genervt ist.
    - Jugendlichen, die gerne mal Heroin ausprobieren möchten.
    - Radfahrprofis.
    - Leuten, die gerne mal ausländisch aussehende Menschen verprügeln.
    - Kriegsverbrechern, d

    Die Liste geht weiter. Der Punkt ist, dass wir uns die Fähigkeit zur Empörung nicht so schnell abnehmen lassen sollten, weil uns etwas als Normalität verkauft wird. Zumindest als Argument zur Abminderung von Kritik kann es schon rein logisch nicht gelten.
    Es ist absolut richtig, darauf hinzuweisen das sich Amazon nicht als einziges so benimmt, das ändert aber nichts an den Missständen. Siehe auch (jerome-segal.de/empoert_euch.pdf).

    2. Die Arbeitsbedingungen sind doch gar nicht so wild / die stellen sich nur an.
    Es ist tapfer von dir, ganze 8 Wochen in diesem Betrieb unter diesen Umständen gearbeitet zu haben und klar lebst du noch. Du hast mir aber damals schon erzählt was für eine unsagbare Belastung es für dich gewesen ist. Wie sich die länger Beschäftigten Mitarbeiter wie Zombies verhalten haben. Du hättest es eben auch nicht viel länger als diese Zeit ausgehalten und es spricht ja schon Bände, dass du es trotz des Geldes nie noch einmal gemacht hast, oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit freudig dorthin zurück hüpfst. Eine Erfahrung ist es gewesen aber noch mal willst du das sicher nicht haben.
    Hier ein paar Argumente warum sich deine Situationen von denen der Amazon Mitarbeiter unterschieden hat.

    - Die Amazon Mitarbeiter bekommen weniger Geld als du bei Westermann.
    - Die Amazon Mitarbeiter haben nicht die Aussicht jederzeit zur Not Aussteigen zu können (Es gibt bei Eigenkündigung Sperre vom Amt und viele haben Verantwortung für Partner und Familie, ausserdem Angst nicht noch einmal einen Job bekommen zu können)
    - Schlechte Arbeitsbedingungen bei Amazon bedeuten nicht nur "zu harte Arbeit" sondern zusätzlich auch Gängelung vom Nazi Wachperonal (schon ausgetauscht ich weiß, aber das ist eben Ergebnis der Empörung) und extreme Kontrolle vom Arbeitgeber und fehlende Vertretung von einem Betriebsrat. Eben so Dinge, die man sich in den letzten 100 Jahren Arbeitskampf und Sozialentwicklung erarbeitet hat.

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  2. 3. Wer in der Schule besser aufgepasst hat, muss auch nicht so einen Job machen.
    Das ist ganz einfach nicht wahr. Es gibt verschiedene Gründe, weswegen man bei einem Job landen kann, der einem nicht gefällt.
    3.1 Das Schulsystem bildet keine Leistungsfähigkeit ab.
    Das Deutsche Bildungssystem ist sehr ungerecht (unter anderen http://www.taz.de/!89382/). Mehrere Studien bescheinigen ihm das schon seit Jahren. So ist ein Gymnasialbesuch eher abhängig vom Engagement der Eltern oder einem Bildungsbürgerlichen Hintergrund in der Familie. Die Wahrscheinlichkeit dass ein Arbeiterkind bei gleicher Eignung den selben Abschluss erhält wie ein Akaddemikerkind ist 1:4 (in Bayern 1:6). Sowieso kann ja nicht jeder sagen sein Abitur so souverän und zweifelsfrei zu schaffen wie du es getan hast. Alles durch das gute Aufpassen in der Schule.
    Wer in die Hauptschule kommt, bleibt fast zwangsläufig dort. Wer es schafft sich hochzuarbeiten schafft es trotz des Systems und nicht deswegen. Es geht also nicht darum, möglichst fleissig oder intelligent zu sein. Es gehört auch Glück dazu.
    In Kombination mit HartzIV bedeutet ein Hauptschulabschluss: Du nimmst, was du kriegen kannst. Wenn du etwas kriegen kannst. Sonst gibt es kein Geld.
    3.2 Abschlussunabhängige Unattraktivität für den Arbeitsmarkt
    Wer seinen Job mit 40 Jahren oder mehr verliert hat nicht mehr viele Optionen. Ältere Menschen sind für den Arbeitsmarkt unattraktiv auch wenn sie Arbeitserfahrung und eine Ausbildung im Rücken haben. Dennoch gibt es das Haus zu halten, oder die Kinder zu unterstützen.
    3.3 Schlechte Wirtschaftslage
    Germanistik studiert und nirgendwo untergekommen? Tja. Vor allem in Gegenden, die Wirtschaftlich nicht gerade florieren kann man auch mit Universitätsabschlus Pech haben, vor allem wenn die gesamtwirtschaftliche Lage nicht mitmacht. Es ist längst nicht selbstverständlich das man eine Arbeit dort bekommt wo man sie auch will. Selbst mit hohem Arbeitseinsatz.

    4. Es wird alles so teuer wenn faire Löhne gezahlt werden.
    Wenn du davon ausgehst, das die Lohnerhöhung 1:1 auf die Preise umgelegt werden, klar. Wenn Amazon viel Gewinn macht, kann es einen Teil davon abzweigen. Wenn Amazon nun aber ein Geschäftsmodell hat dessen Erfolg einzig und allein darauf beruht, dass man den Mitarbeitern geringere Löhne zahlt als bei der Konkurrenz, dann verdient es vielleicht zu sterben. Gute Behandlung der Mitarbeiter muss nicht unbedingt etwas kosten und zwei Euro pro Stunde Lohnerhöhung müssen bei einem Umsatz in Deutschland von 64 Millarden Euro in 2012 auch gar nicht mal so viel ausmachen.

    5. Woanders ist es noch schlimmer (Kinder in Afrika etc).
    Ja und woanders ist es auch besser. Hier mal eine Übersicht wer in Europa einen Mindestlohn hat (http://www.mindestlohn.de/w/gfx/medium/mindestlohnde/content/argument/hintergrund/karten/121107wegewerk_infografik.jpg). Fällt da was auf? Übrigens. In den US of A gibt es auch einen Mindestlohn (http://en.wikipedia.org/wiki/Minimum_wage_in_the_United_States). Nur mal so. Von dem Arbeitnehmerschutz in Skandinavischen Ländern will ich gar nicht erst anfangen.
    Punkt ist, du kannst so nicht argumentieren. Der Kontext in dem Arbeitsbedingungen entstanden ist und welches Niveau wir haben ist relevant. Ausserdem ist es auch nicht okay dein Kind zu schlagen, weil andere ihres Töten und in eine Gefriertruhe packen.

    Ich habe fertig.

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