Freitag, 8. März 2013

Die Wahrheit ist: Pizza und Mais passen überhaupt nicht zusammen.

Ob ich in einer S-Bahn sitze oder mich widerwillig auf ein Konzert oder gar eine Party schleppe. Man trifft auf immer die gleichen Leute, die die immer gleichen Dinge tun.
Wir sehen die dünnen Mädchen mit Pferdeschwänzen und großen Schals um den Hals die - in der S-Bahn- unter ihren Beats- Kopfhörern die neue Single von Britney Spears abfeiern oder - auf der Party- konstant neben dem Beat die Beine einknicken, sich nach links und rechts drehen, dabei ständig Ihre Haare anfassen, weil das so verführerisch aussieht.

Und die Jungs, die T-Shirts mit lächerlich weiten V-Ausschnitten tragen, diese sogar noch mit Anzugwesten kombinieren (das wirkt so Rockstarmäßig...) und Ihre Beats-Kopfhörer lieber um den Hals als auf den Ohren haben.

Sie reden, machen und denken gleich, weil das immer Gleiche ihnen so leicht fällt.

Das ist ein in etwa Zitat aus "Vincent", dem zweiten Roman von Joey Gobel.
Sein vierter, "ich gegen Osborne", ist am 27.2. erschienen und - verspätet- am 5.3. in meine Hände gekommen.
Dass ich begeistert bin, ist überflüssig zu erwähnen, da es sich schließlich um Joey Goebel handelt und es mir unmöglich erscheint, irgendetwas aus seiner Feder nicht grandios zu finden.
(An dieser Stelle eine Empfehlung, sich "Vincent" und "Heartland" zu Gemüte zu führen)

Als ich aufwuchs, hatte ich das Gefühl, mit mir stimme etwas nicht, weil ich mich für all das nicht interessierte. Das war eines der großen wiederkehrenden Themen meines Lebens: der Gedanke, dass mit mir etwas nicht stimmte. Doch jetzt, am Ende meiner Schulzeit, war ich zu dem Schluss gekommen, dass mit mir alles in Ordnung war und mit Ihnen etwas nicht stimmte.

James Weinbach ist ein intelligenter Außenseiter in den 90ern. Er trägt in der Schule nur Anzug, um der Welt in der er lebt etwas mehr Klasse zu verleihen. Denn wie wir alle im Jahr 2013 wissen, war Klasse in den 90ern gänzlich abhanden gekommen.

James Blick auf seine Mitmenschen ist so wahr und klar, dass einem sofort einige eigene Beispiele einfallen, welche ebenso zutreffend sind, wie seine Schilderung vom Schüler Patrick Pippin.

Pippins Losertum hatte groteske Ausmaße genommen, so dass er mir nicht mehr leid tat sondern ich mich fragte, warum er sich morgens überhaupt noch aus dem Bett quälte.
Wenn mich die Schwermut packte, tröstete ich mich mit dem Satz: "tja, wenigstens bin ich nicht Patrick Pippin."

Tja. Wenigstens bin ich nicht [...]

Dass James in Chloe verliebt ist, könnte als Haupthandlungstrang verstanden werden, war in meinen Augen aber nur Nebenstory in einem Leben, dass aus Selbstzweifeln und Klugheit eine Persönlichkeit geformt hat, die so Aufrichtig und Wütend auf all das Schlechte ist, dass auch mich täglich aufs Neue fertig macht.

Unzuverlässigkeit, gebrochene Versprechungen, fehlende Wertschätzung, Unhöflichkeit, Ignoranz...

Ich hatte das Gefühl, dass sich in Ihren Schädeln nichts anderes befand als drei Motten, die herumflatterten und kopulierten.

Es ist nur ein Schultag, der nicht nur das Leben von James sondern auch das Leben seiner Mitschüler für mindestens 12 Stunden komplett geändert hat.
Gibt es Reflexion? Einsicht?
Es ist zu spannend als dass ich hier irgendetwas vorwegnehmen dürfte.
Jedoch ist deutlich zu sehen, dass Goebel mit seinem James den Vincent Charakter aufgegriffen hat und ihm nur eine neue - doch trotzdem gleiche- Umwelt verpasste.
James ist zu alt für seine 17 Jahre. Das ist so tragisch.

Dieser zerbrechliche Künstler, der nichts weiter möchte als zu Schreiben, die Andersartigkeit in einer andersartigen Welt und die labile Persönlichkeit, gebaut auf einem schwierigen (doch dennoch umsorgenden) familiären Umfeld machen aus James den Vincent, dessen Geschichte mich genauso begeistert hat wie "Ich gegen Osborne".

Ich habe mich sehr oft in James wiedergefunden. Seine Schulzeit, sein Blick auf die Umwelt und Interessen, die nicht mit gleichaltrigen zu teilen waren.
(Aber wahrscheinlich wird sich jeder in irgendeiner Weise mit Ihm identifizieren können...)

Selbst wenn keiner je ein von mir geschriebenes Wort las, selbst wenn mein Text keinen Anklang fand, so gab es doch schlechtere Möglichkeiten des Zeitvertreibs, als über dieses Buch zu schreiben, von dem man sich wünschen würde, dass es langsamer gelesen wäre.

James ist ein verflucht cooler Hund.

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