Dienstag, 29. Januar 2013

Traumberufe

Mit dem Kopf in den Nacken gelegt starre ich an die ungleichmäßig weiß gestrichene Decke mit den drei Neonröhren, von denen eine nicht geht und die mittlere flackert.
Die Wände sind in einer Art gelbton gestrichen. Ein Gelb, wie solches, wie das von Senf mit etwas Milch verquirlt. Die Türen in weiß gestrichen, die Ecken werden aber schon beige.
Über den Sofas liegen rote Decken, die zu klein sind und nicht vollständig das Grau und Hellrot der unter ihnen befindlichen Sofas verbergen.
Zwei weiße Schwingsessel stehen wie Soldaten der Nationalgarde auf dem Orientteppich.
Ein stimmiges Bild.

Maja bohrt mir ihre Füße in den Unterleib, der ohnehin schmerzt. Umständlich verdreht versucht sie im liegen den Fernseher hinter sich zu oberservieren, um ein paar bewegte Bilder der laufenden Kinderserie zu erhaschen.
Im Raum nebenan bekommt Julius Schlagzeug Unterricht. Ob es sich hierbei wirklich um die klassische Definition von Unterricht - das heißt, einer lehrenden und im Idealfall erfolgbringenden Institution- handelt, wage ich zu bezweifeln.

Noch zwei Minuten.

Heute ist wieder Dienstag. Musikschultag.
Oder genauer gesagt: Kindergartensporttag, Musikschultag, Hausaufgabentag und Nervtag.
Hausaufgaben- und Nervtag ist zum Glück jeden Tag. Denn ich mag feste Strukturen und möglichst wenig Abwechslung. Deswegen bin ich Nanny.
So nennt man das im Jahr 2013.
1990 hieß das noch Kindermädchen.
19:20 nannte man meinen Beruf Amme.
Und um 1880 wäre ich die Magd gewesen.
Es ist der absolut schlimmste Job unter der Sonne, von dem nicht mal ein halber Mensch leben kann, ohne sich nebenbei noch zu prostituieren.
Leider habe ich dafür aber keine Zeit, weil ich mich in jeder freien Minute um die beiden Kinder kümmere. Ersatzmutti oder Boxsack trifft es daher deutlich besser als Nanny.

"Hab ich heute noch Medienzeit?"
Medienzeit. Eine Vokabel von härterer Währung als dir Schweizer Franken.
30 Minuten am Tag pro Kind vor der Glotze, dem Computer oder IPad. Und keine Sekunde länger.
"Nein. Du schaust ja schon seit über einer halben Stunde Ferns..."
Weiter komme ich nicht.
Wenn sich das Gesicht von Prinzessin Maja der I. langsam zu einem Knautschball verformt dauert es keine Zehntelsekunde, bis ein sirenenartiges Geräusch die Luft zwischen Gehörgang und Trommelfell zerreißt.

Heute ist Nervtag. Erwähnte ich das?

"ABER ICH WOLLTE GAR NICHT ABER DAS IST DOOF ABER DA WAR DOCH AUCH WERBUNG ABER ICH HAB DAS GAR NICHT GEGUCKT..."

Doch hast du. Ende der Diskussion.
(Ich bilde mir ein, dass dies eine Diskussion war und schließe das Thema mit einem "Problem gelöst" Haken)

Julius ist endlich fertig. Statt der teuren Schlagzeugstunden würde es zur Beschäftigung auch ein Comic-Heft Abonnement tun, denn kaum hat er seinen Unterrichtsraum verlassen, klebt er bereits wieder hinter der schön bebilderten Auslegeware.


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